Wer in der Wohnung raucht, muss gelegentlich mal lüften. Und so öffnete ich das Fenster. Wie immer, schenkte ich der Umgebung einen Blick. Doch heute war es anders. Die Luft war angenehm mild und roch nach Frühling. Auf den Dächern zwitscherten munter kleine Vögelchen und untermalten die Atmosphäre. Anders als sonst, verweilte ich am Fenster und starrte einfach so in die Gegend. Der Himmel konnte sich nicht so richtig entscheiden, ob er regnen, oder hell erleuchten will. Ich spürte wie der Frühling versuchte, krampfhaft seine Fühler auszustrecken, schaffte es aber nicht ganz.
Mein Blick wandte sich zu unserer altehrwürdigen Burg. Immer und immer wieder diese 3 mächtigen Türme. Egal in welchem Licht sie erstrahlten, sie trotzten jedem. Sie sind schon sehr alt, haben viel gesehen und bestimmt viel zu erzählen. Mein Blick bleib beim Pariser Turm stehen. Ich versuchte dann das alte Kornhaus zu orten und fand es. Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich gerade davorstehe. In meiner Phantasie wurde es immer deutlicher. Pscht, leise, ich höre etwas?
Ich sah merkwürdig gekleidete Menschen in das Haus gehen. sie trugen feine Anzüge und Kostüme. Sie müssen so aus der Zeit der Achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts sein. Ich fixiere meine Beobachtung und sehe einen kleinen Jungen, nicht älter als 10. Auch er war fein gekleidet und trug eine Fliege.
Ich ging mit ihnen nach oben, wo im Bildersaal Menschen für ein klassisches Konzert Platz nahmen. Alle saßen etwas angespannt auf ihren Plätzen und studierten feinsäuberlich das Programmheft.
Einige Zeit später kamen Künstler in historischen Gewänden. Die Menge stand auf, um jenen Respekt zu zollen. Es wurde darauf geachtet, das man sich richtig hinsetzte, nicht erzählte und eine gewisse Aufmerksamkeit der Spielenden zu wahren.
Die Luft war etwas sonderlich, durch das imprägnierte Holz und man hatte seine Not, den Husten unter Kontrolle zu haben. Einige vertieften die Musik so sehr, sodaß sie dies mit halblauten Schnarchen kund taten.
Dem kleinen Jungen wurde ein Strauß Blumen in die Hand gedrückt. Wofür?
Als das Konzert zu Ende war, die Künstler mehrfach unter Beifall heraus gingen und wieder kamen, musste dieser den Strauß überreichen. Warum gerade er?
Es wurde nicht gefragt, sondern einfach vorausgesetzt. Das gehört sich eben so. Es wurde eben immer Wert auf das Protokoll gelegt. Es war schon immer so und es wird immer so bleiben.
Anschließend, nachdem das Konzert beendet war, unterhielt man sich noch mit dem erlesenem Kreis. Man hatte ordentlich zu grüßen und sich in die Konversation einzubringen. Der gute Ton!
So oder so ähnlich trug es sich in meiner Kindheit oft zu, als wir zu den klassischen Konzerten in den Bildersaal, der Burg Querfurt gingen. Damals war man einfach Anhängsel und wurde ohne zu fragen mitgenommen. Die Musik war damals zum Gähnen. Die Liebe zur klassischen Musik entdeckte ich ein paar Jahre später auf dem Gymnasium, als wir unter Gleichgesinnten darüber philosophierten.
Dieses Panorama weckte alte Gefühle und so erinnerte mich an Tschaikowskis „Weiße Nächte“, wovon wir eine LP haben. Diese hörte ich früher sehr gern und oft.
Und so träumte ich meinen Tagtraum …
… bis meinen Namen rufen hörte. Ich blinzelte Kurz mit den Augen und meine Blicke begaben sich wieder ins Zimmer. Der Moment war zu Ende. Es dauerte nur einen kurzen Augenblick lang, aber kam mir wie eine Ewigkeit vor. Und so ging ich wieder dem Alltäglichem nach …
So bis irgendwann …