Im Rahmen der derzeit ständig vorgenudelten Vergangenheitsfilmen zur Aufarbeitung der DDR Geschichte und Vorbereitung der Bundestagswahl dienenden Dokus, erinnerte ich mich auf Umwegen wieder an alte Urlaubserlebnisse.
Eines davon war in der Mark Brandenburg und genau hier. Am Nordufer des Möllsensees wurde für damlige Verhältnisse Standard, 14 Tage Urlaub gemacht.
Zitat aus dem Film Sonnenallee: „Wir können überall hin, nach Thüringen …“
Aus heutiger Sicht muss ich schon irgendwie lachen, obwohl es nicht wirklich soo lustig war. Genau genommen konnte man nicht wirklich verreisen. Damals hatte nicht wie heute jede Familie ein Auto und in die osteuropäischen Länder konnte man auch nicht wie man wollte. Das war auch damals schon oft eine Frage des Geldes bzw. je nach Land, eine Auszeichnung für irgendwelche Verdienste.
Okay, ab jetzt darf wieder gelacht werden. Man stelle sich eine Familie mit 2 Kindern vor. Eingefercht in einem PKW Trabant ging die Autofahrt los. So ähnlich fing dann auch immer mein Schulaufsatz nach den 8 Wochen Sommerferien an. Das war Pflicht und wohl auch eine Art der Aushorchung in der Schule, was man denn alles in den Ferien machte. So schrieb man dann eben über den Urlaub.
Ein Ossi hatte auch die Angewohnheit, seinen halben Hausrat mitzunehmen. Ja, in eine Pappschachtel passte nicht nur viel rein, sondern auch oben drauf. Es wurde dann auch mal das Kinderbett von zu Hause mitgenommen. Es war normal und muss dann wohl wie ein Fahrzeug aus dem Orient ausgesehen haben. Heute würde man damit todsicher von einer Polizeikontrolle angehalten werden.
Die Autobahnen waren auch da, aber eben leerer als heute. Wobei ich mich sogar an einen Stau erinnern konnte. Aber auch nur, weil wieder irgendein Funktionär durch die Lande zog und die Strecken gesperrt wurden.
Man war aber nie alleine im Urlaub, sondern eben je nachdem wer den Urlaub buchte, mit Arbeitskollegen + Famile da. Oft hatten sie Kinder im gleichen Alter und es wurde nie langweilig.
Tja, was wurde da eigentlich so den ganzen Tag gemacht? Grundsätzlich holten die Männer früh mit dem Rad Brötchen. Das waren ca. 5 km quer durch den Wald. Wie auch heute noch üblich, hatte jeder Bungalow eine Terrasse, auf der dann später gefrühstückt wurde. Mitten im Wald, früh den Eichhörnchen oder dem Specht zuzuhören war schön. Meist ging es dann früh runter zum See. Oft auch mit dem Rad, denn die waren auch eine Art Standard in den Objekten und mussten nicht von zu Hause mitgenommen werden. Mal guckte man einem Angler zu, mal ging man schon früh Baden, oder man fuhr mit dem Rad einfach um den See. Alles ohne Aufpasser und spontan wie man Lust hatte. Heute wohl undenkbar, seine Kinder alleine rumfuhrwerken zu lassen.
Das Motorboot! Anfangs gab es noch eins dem Objekt zugeordneten. Natürlich durfte man es auch da schon nur mit einem Bootsführerschein fahren. Daddy hatte eins und man war stolz. Familienausflug zu viert, oder eben wenn dann Urlaubsbesuch dabei war, Oma und Opa mit drin. Das ging einmal in die Hose, da 6 Personen in einem Boot dann doch etwas schwer waren. Oma meckerte dass Opa zu schwer sei. Irgendeiner musste ja schuld sein. Wir blieben in einem Kanal stecken und kamen eher durch Zufall wieder frei.
Lenken dufte ich natürlich auch immer mal und war stolz die Hanne. Aber auch nur, wenn mal gerade kein Boot der Wasserschutzpolizei in Sicht war. Natürlich gab es auch in diesen Gebieten schon immer FKK Gebiete. Ein Fernglas hatte man eh immer mit und wer hat da wohl wohin geguckt?
Je nach Wetterlage oder Laune, konnte man auch bis fast nach Berlin, nach Erkner fahren. Musste dort allerdings an der Wassertankstelle auftanken.
Es musste natürlich auch immer Berlin besucht werden. Schon aus Gründen des Konsumrausches. Dort gabs ja für damalige Verhältnisse immer alles, was man sich sonst in der restlichen Republik, durch Beziehungen, ergaunern musste. Es war ja auch Vorzeigestadt des Landes und durfte ja immer nicht im schlechten Licht stehen. Und ja, es ging auch soweit, dass unliebsame Menschen zwangsumgesiedelt worden und u.a. auch dann in Querfurt lebten.
Aus ökologischen Gründen (bei den Preisen damals *hahaha*) führen wir bis Erkner und dann mit der S-Bahn rein ins Vergnügen. Je nach Tag hieß es eben Shopping, Museen und historische Orte besuchen, Spaß in Vergnügungsparks oder einfach nur mal Essen gehen und relaxen.
Ich erinnere mich da nur zu gern an den Plänterwald in Berlin. Das Grauen jeder Eltern. Bei uns hieß er „Plämperwald“ und wurde mit „wüdder’s janze Jeld verplämpern“ abgetan. Das Problem war aber nicht das Geld, denn die Preise waren eben auch dort sehr billig, sondern das nervige dutzendfache fahren mit der Gespensterbahn, Riesenrad und und und … wie Kinder eben so sind! Cool war vor allem das drehende Haus. Man saß drinnen, es bewegte sich aber nur die Hülle. Man hatte aber den Eindruck, dass man sich mitdreht. Eine Achterbahn, Autoscooter gab es auch und solche Tage waren leider immer zu schnell zu Ende.
Erwähenswert wäre auch noch die Fahrt dorthin. Umsteigen musste man am legendären Bahnhof „Rostkreuz“. Ich war dort nie wieder, aber man wusste nie welchen Bahnsteig man benutzen musste, wenn man umstieg. Es konnte schon passieren, dass man in der falschen S-Bahn saß. Ja und wie sollte es auch anders sein, traf man in der Metropole auch immer bekannte Gesichter. Ob mal alte Schulfreunde meiner Eltern, oder eben auch ganz zufällig wieder die Urlaubsbekanntschaften. Oder war es doch kein Zufall? Keine Ahnung!
Wenn man die Geschäfte „Unter den Linden“ abklapperte, kam man nicht nur an den ganzen Botschaftsgebäuden vorbei, sondern ging auch immer zum „Brandenburger Tor“. Okay, was heißt zum? Man kam ja nie bis ran und wurde durch einen Zaun vor dem Pariser Platz daran gehindert. Man sah dort schon die Grenzer Streife laufen bzw. standen sie auch immer mal in Gruppen rum und rauchten. Auf der anderen Seite der Mauer sah man die gut besuchten „Huhu-Ossi-WinkeWinke-Tribühne“. Die winkten immer mal und ich, klein wie ich war, winkte zurück. Ein böser Blick und ein „Ey, wenn das einer sieht“ bekam ich zuhören. Aber an jenem Tag war es heiß, die Grenzer schwitzten, hatten wohl keine Lust zum „arbeiten“ und es waren noch mehr winkende Kinder dabei. Einige in der Gruppe zwinkerten mir zu und grinsten sich leicht einen ab. Wenige Jahre später waren die Grenzen offen und heute kann man sich sowas gar nicht mehr vorstellen.
Ich erinnere mich an eine Klassenfahrt, als es „nur“ noch Grenzkontrollen gab und uns ein Grenzer nicht ohne Visum zum Reichstag gucken lassen wollte. Aber als gelernter Ossi lernte man eben auch mit gespaltener Zunge zu reden und am Ende durfte man durch gutes Zureden unserer Klassenlehrerin rüber.
Überall sah man Mauerspechte und Künstler. Die Mauerspechte verkauften Mauerstücke zu völlig überteuerten Preisen und auch nur in DM. Völlig fies wie wir fanden, damit noch Geld zu verdienen. Aber wir waren auch nicht von gestern und ein Mitschüler meinte nur „Da, Polizei!“. Ein Verkäufer hatte Angst, weil er wohl keine Erlaubnis für seinen Stand hatte und packte hastig zusammen. Fix jeder noch ein Mauerstückchen gemopst. Ich meine es heute noch, in irgendeiner Schachtel. zu haben. Das wird nicht verkauft, schließlich starben da Menschen, Familien wurden getrennt und es ist Geschichte, mit der sorgsam, jenseits von Kommerz umgegangen werden sollte.
Auf späteren Klassenfahrten, welche dann auch oft in die alten Bundesländer führten, wurde uns teils eingehämmert, wir sollen z.B. „Oar, ne Schlange. Ist ja wie beim Bananan anstehen“ nicht sagen und auch ordentliches hochdeutsch reden.
Natürlich hielt sich da nie einer daran. Warum denn auch? Ich meine wenn man aus diesem Land nun mal kam, nichts anderes kannte, kann man sowas nicht einfach per Knopfdruck abstellen.
Es war andersrum auch nicht anders. Klassenfahrt und Stadtrundfahrt in München. Die Stadtführerin wollte uns u.a. ständig erklären wer Hitler war, das Bayern ein Bundesland ist und und! Das wurde dann einer Lehrerin auch zu bunt und sie wies daraufhin, dass sie es mit Abiturienten zu tun habe und sich lieber erstmal über Ostdeutsche informieren müsse, bevor sie so herablassende Äußerungen macht. Als mit einem Abbruch der Fahrt gedroht wurde, verstand sie es wohl dann.
Krass war das Erlebnis in Garmisch-Partenkirchen, als wir anhand unseres Dialektes als Ossis identifiziert worden und mit der Begründung „Betteln verboten“ aus einem Geschäft geworfen wurden.
Man fühlte sich damals schon manchmal sehr erniedrigt. Im Gegensatz zu manch anderen, habe ich es aber irgendwann hinterfragt und eben auch einsehen müssen, dass sich ein Volk über Jahre einfach nur auseinandergelebt hatte. Man sieht hier eben dann auch die Propaganda zweier Weltmächte. Ossis haben eben auch Hochhäuser, schlafen nicht in Zelten und mussten nie Hungern. Auf der anderen Seite sind nicht alle Wessis arrogant, schlafen nicht alle unter Brücken und können auch im Osten nicht alles machen wie sie wollen. Lokales Beispiel, heute noch sichtbar das Gewerbegebiet Ziegelroda. Unsummen an Steuergeldern verplämmpert. Bis heute ungenutzte Infrastruktur. Wer hat es geplant bzw. verwirklichen wollen? … Wer im Westen zu nichts taugt, taugt eben auch im Osten zu nichts. Wir sind ein Land und alle Brüder und Schwestern!
Von Urlaubserinnerungen bis heute … mich erinnert eine Äußerung von Wolfgang Thierse, welcher kürzlich im TV etwas zum Thema deutsche Teilung in den Köpfen äußerte. Sinngemäß meinte er, dass wenn man auf Ossis ständig rumhackt und ihren Unrechtsstaat ständig vorführt, entwickelt man einen Abwehrmechanismus und spaltet immer wieder.
Genauso sieht es auch aus, eine sehr kluge Äußerung. Ich konnte es mir nicht aussuchen, wo ich geboren wurde. Ich kann auch nicht sagen, ich wurde 1990 geboren, sondern 1978. Ich kann auch nicht sagen, dass ich in den 12 Jahren ständig schlecht lebte und eine unglückliche Kindheit hatte. Das wäre einfach eine Lebenslüge. Es geht nicht darum, dass man alten Zeiten nachtrauert und sie womöglich wieder haben will, sondern einfach darum, seine eigene Identität zu wahren. Es gibt auch heute keine „Rund um die Uhr Politik“, sondern auch das stinknormale Alltagsleben, mit allen Macken und Problemen!
Natürlich kann man heute überall hin in den Urlaub fahren, hat nur nicht mehr so das Geld dazu und muss mehr denn je sparen. Aber um welchen Preis sollte man sowas eintauschen, wenn man meinte es war mal glücklicher?
Mein Traum war schon vor über 20 Jahren einen Computer zu haben. Den konnte sich aber keiner leisten. Aus heutiger Sicht wohl mit der Anschaffung eines Mittelklassewagens zu vergleichen. Der Traum wurde kurz nach 1990 war und entwickelte sich schneller weiter als man ahnte.
Heute haben wir Internet und können alles schreiben, wenn es im Rahmen bleibt und nicht in Gewaltdrohungen endet. Schon mit diesem Blog würde ich 20 Jahre zurückgerechnet, schon längst in einem Gefängnis sitzen, oder jeden Beitrag wohl vorher zur Zensur überprüfen lassen.
Ich frage mich immer wieder, was sich manche Menschen aufregen. Sie wissen gar nicht mehr wie gut es einen geht. Auch heute noch sitzen Menschen in Gefängnissen, weil sie progressiv denken und vor allem ihre Meinung nicht frei äußern können. Die elementarste Eigenschaft um überhaupt es verändern zu können heißt eben Freiheit!
Wir sind nach 20 Jahren gewiss schon viel weiter, aber haben die Trennung in den Köpfen noch lange nicht überwunden. Diese existiert nur durch Schönfärberei im TV. Eine Freundin aus den alten Bundesländern meinte kürzlich, dass wir noch 2-3 Generation brauchen werden. Ich glaube sie hat Recht. Auch bei noch so guten Freundschaften, gibt es auch heute noch kleinere Konfliktpunkte. Aber diese werden immer mehr mit Humor abgetan. Aber so ist sie und ich und nicht alle.
Die Hoffnung stirbt zuletzt für einen Augenblick Freiheit
Joar …